Volksabstimmung

Seit 1987 setzt sich der OMNIBUS für Volksabstimmungen ein. Wir brauchen die Ergänzung der repräsentativen Demokratie durch die direkte Demokratie, durch Volksabstimmung.
Unsere Aktionen und Tätigkeitsfelder finden Sie unter Projekte.

Im Folgenden alle Informationen zum Was, Wie, Warum:

Die Erfüllung der Demokratie durch Volksabstimmung

Demokratie bedeutet, dass alle Bürgerinnen und Bürger gleich sind vor dem Recht. Und dass alle beteiligt sein müssen, wenn es gilt, das Recht zu vereinbaren – gleichberechtigt: jeder Mensch hat eine Stimme, gleich welcher Herkunft, Fähigkeit und Bildung oder dieser Befürworter*in oder Gegner*in des eingebrachten Themas ist. Alle sind gleichermaßen mit einbezogen. In einer Demokratie ist das Volk der Souverän, sind wir die Recht gebende Gemeinschaft. Es gibt kein Thema, bei dem wir nicht das letzte Wort haben.

Was ist entscheidend für die Qualität der direkten Demokratie?

Entscheidend für die Qualität der direkten Demokratie ist die Ausgestaltung ihrer Verfahren. Die Frage, wie Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid geregelt werden, ist ebenso wichtig wie die grundsätzliche Diskussion über ihre Einführung. Denn: die Qualität der direktdemokratischen Verfahren bestimmt unmittelbar die Qualität der Ergebnisse.

Direktdemokratische Verfahren sollen die Menschen ermächtigen und der Machtteilung dienen, das heißt, sie werden nicht "von oben", sondern "von unten" ausgelöst und kontrolliert. "Von unten" bedeutet, dass ein Teil der Stimmbürger*innen das Recht hat, eine Initiative einzureichen, die nach einem erfolgreichen Volksbegehren zu einem verbindlichen Volksentscheid führt. Die Durchführung des Verfahrens ist jederzeit transparent und wird von den Bürger*innen kontrolliert.

Dies ist zu unterscheiden von einem Plebiszit "von oben". Da bestimmen die Regierenden, meist der Staatspräsident oder der Regierungschef, wann die Bevölkerung zu welchem Thema befragt werden soll. Solche Plebiszite sind oft Machtinstrumente, mit denen die Regierenden versuchen, mit Hilfe der Bevölkerung ihre Position zu festigen.

Abstimmungsrechte auf allen Hoheitsebenen

Wir, die Bürgerinnen und Bürger, sind der Souverän, der Hervorbringer und Garant des Rechts. Wir sind die Experten. Wir benötigen stimmige Entscheidungsmöglichkeiten auf allen Hoheitsebenen:

  • Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene, um unser Zusammenleben vor Ort zu gestalten.
  • Volksabstimmungen auf Landesebene, um über regionale Fragen zu entscheiden.Volksabstimmungen auf Bundesebene, um die großen Themen abzustimmen.
  • Volksabstimmungen auf Europaebene, um uns als Menschen auf Umgangsregeln mit anderen Kulturkreisen zu verständigen.

Und es gibt auch noch genügend Themen, die die ganze Welt betreffen.

Die bundesweite Volksabstimmung

Wir brauchen die Ergänzung der repräsentativen Demokratie durch die direkte Demokratie, durch Volksabstimmung auf Bundesebene. Ziel muss es sein, dass konkrete Sachfragen immer stärker in den Mittelpunkt gestellt werden. Die Volksabstimmung ermöglicht, dass aus allen Lebens- und Arbeitsbereichen der Gesellschaft Lösungs- und Gestaltungsvorschläge in die öffentliche Diskussion und die politische Willensbildung eingebracht werden können. Es geht dann nicht um Personen, nicht um Parteien und nicht um Macht, sondern um eine bestimmte Sachfrage, die zur Abstimmung gestellt wird, z.B. internationale Verträge wie TTIP oder soziale und ökologische Fragen wie die Beendigung der Massentierhaltung und die Verbesserung der Kranken- und Rentenversicherung.

DIE 3-STUFIGE VOLKSGESETZGEBUNG


Wir wollen die Einführung der bundesweiten Volksabstimmung durch ein dreistufiges Verfahren: Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid.

Themen

Alles was das Parlament entscheiden kann, kann auch über Volksabstimmung geregelt und abgestimmt werden. Ein Themenausschluss findet nicht statt. Auch über Finanzen und Steuern kann abgestimmt werden. Die häufig geäußerte Angst, die Menschen könnten nicht mit Geld umgehen, ist unbegründet. Im Gegenteil: in der Schweiz und den USA führen Volksabstimmungen zu niedrigeren Staatsschulden und effektiverer Verwaltung.

Grundgesetzänderungen und die Abgabe von Souveränitätsrechten an internationale Körperschaften – z.B. die Europäische Union – müssen dem Volk automatisch zur Entscheidung vorgelegt werden (obligatorische Referenden).

Volksinitiative

Von jedem Einzelnen kann die Initiative zu einer bundesweiten Volksabstimmung ausgehen. Jeder kann einen Abstimmungsvorschlag zur Diskussion stellen und Unterstützer*innen sammeln. Sind 100.000 gültige Unterschriften zusammengekommen, dann kann der Vorschlag im Bundestag eingereicht werden und von ihm übernommen werden. Tut er das nicht, geht der Vorschlag weiter zur nächsten Instanz, dem Volksbegehren.

Volksbegehren

Lehnt der Bundestag die Volksinitiative ab, hat die Initiative das Recht, ein Volksbegehren durchzuführen. Mit dem Volksbegehren wird der Nachweis erbracht, dass genügend Menschen den Vorschlag für wichtig genug halten, um ihn der Allgemeinheit zur Entscheidung vorzulegen. Viele Menschen lernen das Anliegen der Initiatoren kennen und beschäftigen sich mit den Argumenten dafür und dagegen. Für ein erfolgreiches Volksbegehren müssen eine Million Stimmberechtigte innerhalb von neun Monaten unterschreiben, bei grundgesetzändernden Gesetzen 1,5 Millionen.

Fakultatives Referendum: 
Als Sonderfall sind auch Volksbegehren gegen bereits getroffene Parlamentsbeschlüsse vorgesehen. Weil in einem solchen Fall schnelles Handeln erforderlich ist, entfällt die Volksinitiative, die Frist halbiert sich und das Quorum halbiert sich auf 500.000 Unterschriften. Mit einem solchen Volksbegehren können umstrittene Entscheidungen des Bundestages den Bürgerinnen und Bürgern zum Volksentscheid vorgelegt werden.

Unterschriftensammlung

In der Schweiz wird die freie Unterschriftensammlung als „Seele der Direkten Demokratie“ verstanden. Dahinter steht die Erfahrung, dass das Gespräch für eine erfolgreiche Sammlung unverzichtbar ist. In manchen Bundesländern allerdings können Volksbegehren nur auf den Ämtern unterzeichnet werden. Daraus entstehen für Berufstätige, Alte und Behinderte Nachteile. Und es gibt immer wieder Streit über knapp bemessene Öffnungszeiten. Sinnvoller ist es, wenn die Bürgerinitiative selbst die Unterschriften sammeln kann – am Infostand, am Arbeitsplatz, im Sportverein. Die Initiatorinnen und Initiatoren können das Gespräch suchen und am eigenen Erfolg arbeiten.

Optimal erscheint eine Kombination beider Formen: die Unterschriften können frei gesammelt werden, parallel dazu liegen die Listen in Amtsräumen aus. Dies garantiert genügend Eintragungsmöglichkeiten für alle Bürgerinnen und Bürger, und zwar auch ohne eine flächendeckende Organisationsstruktur der Initiatorinnen und Initiatoren, die besonders Bürgerinitiativen nur schwer aufbauen können.

Volksentscheid

Nach einem erfolgreichen Volksbegehren kann der Volksentscheid nur entfallen, wenn das Parlament den Antrag oder Gesetzentwurf unverändert übernimmt. Passiert dies nicht, findet die Abstimmung frühestens vier, spätestens zwölf Monate nach Abschluss des Volksbegehrens statt. Die Frist wird flexibel gestaltet, damit der Termin möglichst mit anderen Entscheiden oder Wahlen zusammengelegt werden kann. Das Parlament kann einen eigenen Vorschlag mit zur Abstimmung stellen. Dieser Gegenentwurf sollte nicht in Konkurrenz zum Volksbegehren gesehen werden. Er bereichert die Abstimmung durch eine inhaltliche Alternative und nimmt dem Verfahren damit die Starrheit einer bloßen Ja/Nein-Entscheidung.

Keine Abstimmungsklauseln (2/3-Mehrheit, Zustimmungsquoren)

Volksabstimmungen sind gegenüber dem Parlament eine eigenständige Institution. Hier entscheidet der oberste Souverän (die Bürgerinnen und Bürger) selbst, in freier und geheimer Abstimmung. Es besteht zu jeder Frage eine große Öffentlichkeit, im Gegensatz zu Grundgesetzänderungen im Parlament. Stimmberechtigt sind alle Wahlberechtigten. Bei Volksabstimmungen ist eine Fraktionsbildung und Absprache nicht möglich. Die Abstimmung ist immer geheim. Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet.

Eine 2/3-Mehrheit ist bei einer Volksabstimmung eine sehr hohe Hürde. Anders ist es bei der parlamentarischen Gesetzgebung. Hier entscheidet ein kleiner auf Jahre festgelegter Personenkreis. In der Regel bestimmt die Partei/Fraktion das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten. Durch Fraktionszwang, Tradition und Absprachen ist die Mehrheit im Parlament fast immer identisch mit der Mehrheit der Regierung. Zur besseren Kontrolle der Regierung (Exekutive) durch das Parlament (Legislative) und als Oppositionsrecht ist eine 2/3-Mehrheit bei der parlamentarischen Gesetzgebung sinnvoll.

Informationen zur Abstimmung

In einer Broschüre, die jede*r Stimmberechtigte vor dem Volksentscheid erhält, stellen die Pro- und die Contra-Seite das Thema und ihre jeweiligen Argumente authentisch und in gleichem Umfang dar. Dieses Abstimmungsbüchlein nach Schweizer Vorbild sichert die ausgewogene Information der Bevölkerung – und ist damit eine wichtige Grundlage für die Urteilsbildung der Bürgerinnen und Bürger. Um die drei Schritte – Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid – zu vollziehen, sind rund eineinhalb Jahre nötig. Dieser Zeitraum gewährleistet, dass kurzfristige Emotionen bei der Volksabstimmung keine Rolle spielen.

Konkreter Gesetzentwurf

Viele Menschen haben gemeinsam mit dem OMNIBUS, Mehr Demokratie e.V. und Democracy International sowie Verfassungsrechtler*innen und Schweizer*innen einen Vorschlag ausgearbeitet, wie das im Grundgesetz garantierte Abstimmungsrecht auf Bundesebene fair und bürgerfreundlich geregelt werden kann.
Hier unser Vorschlag und das vollständig ausgearbeitete Gesetz zur bundesweiten Volksabstimmung (PDF).

DER WEG ZUR BUNDESWEITEN VOLKSABSTIMMUNG


Immer wieder sprechen sich mehr als zwei Drittel der Bevölkerung für die bundesweite Volksabstimmung aus. Wie kommen wir zur Umsetzung?

Wie erreichen wir die Einführung der bundesweiten Volksabstimmung?

"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen … ausgeübt." Artikel 20, Absatz 2. 

So steht es seit Gründung der Bundesrepublik 1949 im Grundgesetz. Dieses Prinzip ist so wichtig, dass es, so Artikel 79, Absatz 3 des Grundgesetzes, nie und nimmer geändert werden darf. Repräsentative und Direkte Demokratie stehen hier dem Wortlaut nach gleichberechtigt nebeneinander. Die Wahlen wurden 1949 unmittelbar in Artikel 38 des Grundgesetzes konkretisiert, die Abstimmungen dagegen bis heute nicht.

Der offene Grundgesetzauftrag

Bis heute ist die Konkretisierung des Abstimmungsrechts im Grundgesetz offen. Die Rechtslage wird zur Zeit so interpretiert, dass wir, die Bürgerinnen und Bürger, dies nicht direkt abstimmen können, sondern dass es nur von unseren Vertreterinnen und Vertretern im Bundestag ausgeführt werden kann. Für diese Grundgesetzänderung ist nach Art. 79, Abs. 2 eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat nötig.

So bleibt uns bisher nur der Appell an die Politik, endlich diesen Grundgesetzauftrag zu realisieren und den Weg für Abstimmungen zu öffnen. Das tun wir schon seit über 40 Jahren, aber es scheitert derzeit daran, dass die nötige Zweidrittelmehrheit im Bundestag bis dato nicht zustandegekommen ist.

Der König*innenweg - Die Volksabstimmung über die Volksabstimmung

Der König*innenweg ist eine Volksabstimmung über die Volksabstimmung, also eine einmalige Abstimmung, in der wir entscheiden, ob wir uns das Instrument der bundesweiten Volksabstimmung geben wollen oder nicht. Die Regelung dieses demokratischen Grundrechts müssen wir Bürgerinnen und Bürger selbst bestimmen. Unsere bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die jeweiligen Regierungs-Parteien an der Verwirklichung der bundesweiten Volksabstimmung nicht wirklich interessiert sind. So hat beispielsweise die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag zur 19. Wahlperiode des Bundestages von 2017-2021 zwar die Einsetzung einer Expertenkommission versprochen, "die Vorschläge erarbeiten soll, ob und in welcher Form unsere bewährte parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden kann." Diese wurde aber nicht eingesetzt. Weil wir unsere Hoffnungen hier nicht auf die (Regierungs-)Parteien richten, sammeln wir immer weiter Unterschriften als Willenserklärungen der Bürgerinnen und Bürger für die Einführung der bundesweiten Volksabstimmung – bis es sie gibt.
Jetzt für die bundesweite Volksabstimmung unterschreiben...

Die Anfänge sind schon gemacht

Die Direkte Demokratie in Deutschland, Europa und darüber hinaus ist die Zukunft. Wann sie verwirklicht ist, wissen wir nicht, aber wir arbeiten immer weiter, bis der Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung (siehe repräsentative Umfragen) hier in Deutschland umschlägt in einen wirklichen Willen zur direkten Demokratie.

Gemeinsam mit dem Verein Mehr Demokratie initiiert der OMNIBUS immer wieder Volksbegehren auf Landesebene zur Verbesserung und Einführung der direkten Demokratie. Das hat mit dazu geführt, dass es inzwischen in allen Bundesländern gesetzliche Regelungen für landesweite Volksabstimmungen und Abstimmungen auf der kommunalen Ebene gibt. Überall, wo es gelungen ist, die direkte Demokratie zu verwirklichen, werden die Menschen aktiv. Das zeigt die ständig wachsende Praxis der direkten Demokratie in unseren Städten und Gemeinden und auf Landesebene: seit ihrer Einführung wurden über 6.737 Bürgerbegehren und 4.107 Bürgerentscheide in Deutschlands Städten und Gemeinden und 351 Volksinitiativen und Volksbegehren plus 24 Volksentscheide auf Landesebene (Stand 2019).

Wie viel Prozent der Bevölkerung sind für die bundesweite Volksabstimmung?

In repräsentativen Umfragen in den vergangenen Jahren haben sich regelmäßig mehr als zwei Drittel der Bevölkerung dafür ausgesprochen, bundesweit über richtungsweisende politische Themen abstimmen zu wollen. Auch 94 Prozent der Teilnehmenden des Bürgerrats Demokratie im Jahr 2019 befürworteten, dass bundesweite Volksabstimmungen per Initiative aus der Bevölkerung eingeleitet werden können. Hier eine repräsentative Umfrage von Mehr Demokratie und OMNIBUS aus dem Jahr 2017, in der sich 72 Prozent der Befragten für die Einführung der bundesweiten Volksabstimmung aussprechen.

HÄUFIG GESTELLTE KRITISCHE FRAGEN ZUR VOLKSABSTIMMUNG


In dieser FAQ sprechen wir häufig auch von Volksentscheid. Dabei handelt es sich um die Bezeichnung der letzten Stufe des Verfahrens der dreistufigen Volksgesetzgebung. Als Bezeichnung des Gesamtprozesses (= alle drei Stufen) verwenden wir die Bezeichnung „Volksabstimmung“.

Höhlt direkte Demokratie Parlamente aus?

Die direkte Demokratie ergänzt und stärkt die Parlamente. Gut geregelt sorgt sie für eine höhere Transparenz, mehr Verantwortlichkeit und mehr Responsivität. Die meisten Entscheidungen verbleiben im Parlament – so ist es auch in der Schweiz. Das Parlament ist stets in das Verfahren involviert: Es berät über das Volksbegehren und kann einen Kompromiss mit den Initiatoren aushandeln. Es kann im Volksentscheid auch einen eigenen Gegenentwurf mit zur Abstimmung stellen. Die Erfahrungen in den deutschen Kommunen und Bundesländern sowie in anderen Ländern mit direkter Demokratie "von unten" zeigen, dass kein Parlament durch direkte Demokratie abgeschafft oder geschwächt wurde. Die direkte Demokratie sorgt dafür, dass sorgfältiger regiert, sauberer abgewogen und mehr mit den Menschen geredet, anstatt über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. So macht die direkte Demokratie die repräsentative Demokratie repräsentativer.

Werden komplexe Fragen auf Ja/Nein-Entscheidungen reduziert?

Auch Parlamente entscheiden mit Ja oder Nein, unabhängig davon, wie komplex der Sachverhalt ist. Auch darf die Annahme, die parlamentarische Demokratie folge ausschließlich rationalen Abwägungen und sei per se auf konstruktive Kompromisse ausgerichtet, angesichts der Praxis hinterfragt werden. Volksbegehren können mit Hilfe zweier Regelungen flexibler ausgestaltet werden: Die Initiatorinnen und Initiatoren dürfen ihre Vorlage nach der Volksinitiative anpassen. So können sie auf aktuelle Diskussionen reagieren, Anregungen aufnehmen und auch zulässigkeitsrelevante Mängel beheben. Wenn sich Bundestag, Bundesrat und Initiatoren und Initiatorinnen nach einem erfolgreichen Volksbegehren auf einen Kompromiss einigen, wird der gemeinsam mit der ursprünglichen Vorlage im Volksentscheid abgestimmt. So ist es heute schon bei kommunalen Bürgerentscheiden. In der Hälfte der Fälle setzt sich der Vorschlag der Gemeindevertretung durch. Zu behaupten, auf Bundesebene sei Politik zu komplex und damit für die „einfachen“ Bürgerinnen und Bürger nicht zugänglich, versperrt den Weg zu demokratischer Beteiligung. Politik muss verstehbar für alle Menschen sein. Die direkte Demokratie ist zudem intelligent geregelt: Wird ein Thema nicht so aufbereitet, dass es für die Menschen nachvollziehbar ist, wird wohl kaum die Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative oder Volksbegehren erfolgreich sein.

Können Populisten Volksabstimmungen ausnutzen?

Aufgrund der Länge eines Verfahrens – auf Bundesebene bis zu vier Jahre – sind Volksbegehren für populistische Schnellschüsse weniger geeignet. Dafür lösen sie intensive Debatten in der ganzen Gesellschaft aus. Das bricht Blasen auf, verbreitert und vertieft die Diskussion – und trägt so zur Versachlichung bei. Die direkte Demokratie entzieht also dem Populismus eher den Boden, als dass sie ihn bereitet. Generell sind Volksentscheide ein Spiegel der Gesellschaft, aber nicht verantwortlich für ihren Zustand. Die Gesellschaft kann erkennen, wie es um sie bestellt ist.

Es muss nicht immer zum Volksentscheid kommen. Die Vorwirkung der direkten Demokratie sorgt dafür, dass sich die Politik mit den durchaus auch vielfältigen Interessen in der Bevölkerung auseinandersetzen muss. Direkte Demokratie hat auch eine Ventil-Funktion. Sie kann Menschen das weit verbreitete Gefühl nehmen, nicht gehört zu werden. Indem die direkte Demokratie allen Menschen ermöglicht, gestalterisch aktiv zu werden, wird mit ihr weniger auf „die da oben“ gezeigt. Mit guten Möglichkeiten, eine Volksinitiative zu starten, liegt es an jeder und jedem selbst, wie es um uns bestellt ist.

Gefährden Volksabstimmungen Minderheiten?

Volksbegehren werden nach unserem Gesetzesvorschlag im Vorfeld vom Bundesverfassungsgericht auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und Völkerrecht überprüft (präventive Normenkontrolle). Durch sie kann es keine verfassungswidrigen Volksbegehren geben. Der verfassungsgemäße Minderheitenschutz bleibt somit gewahrt. Zudem haben Minderheiten mit der direkten Demokratie eine gute Möglichkeit, ihre Anliegen auf die politische Agenda zu setzen.

Dienen Volksabstimmungen nur den Reichen bzw. sind sie sozial selektiv?

Zum Standard guter direktdemokratischer Regelwerke gehört heute auch eine Kostenerstattung für Initiativen, so dass auch von einkommensschwächeren Gruppen die direktdemokratischen Instrumente genutzt werden können. Zudem sollten z.B. Spenden an eine Initiative im Abstimmungsheft mit veröffentlicht werden, damit deutlich wird, welche Geldgeber hinter einer Initiative stehen. Ansonsten: Die soziale Schieflage ist bei allen demokratischen Verfahren zu beobachten – von Petitionen, Unterschriftensammlungen bis zu Wahlen. Hinzu kommt, dass die Zusammensetzung der Parlamente alles andere als sozial repräsentativ ist. Studien belegen, dass dadurch bestimmte Bevölkerungsinteressen stärker repräsentiert werden. Gerade die direkte Demokratie zeigt sozial abgehängten oder politikfernen Menschen, dass es häufiger als alle vier Jahre auf sie ankommt. In einem politischen System, das Volksbegehren und Volksentscheide kennt, können sie sich auch zwischen Wahlen einmischen. Darüber hinaus muss politische Partizipation viel stärker zum Gegenstand politischer Bildung werden, was durch Abstimmungshefte und eine öffentliche Debatte gewährleistet werden könnte.

Hat der BREXIT nicht gezeigt, dass Volksabstimmungen gefährlich sind?

Der Brexit taugt nicht als Beispiel für die direkte Demokratie in Deutschland. Er wurde von der britischen Regierung angesetzt und von den Parteien populistisch missbraucht. Es gab auch keine saubere Abstimmungsvorlage und keine ausgewogene Information für die Befragung. Zudem ist es beispielsweise in der Schweiz üblich, dass internationale Verträge zweimal abgestimmt werden: einmal am Anfang der Verhandlungen und einmal am Ende, wenn alle Vertragsdetails auf dem Tisch liegen.

Hat die direkte Demokratie in der Weimarer Republik zur Machtübernahme Hitlers beigetragen?

Ein nüchterner Blick auf die Fakten zeigt, dass es in der Weimarer Republik acht Versuche gab, einen Volksentscheid herbeizuführen. Davon gelangten drei Verfahren zum Volksbegehren und zwei zum Volksentscheid. Beide Abstimmungen scheiterten am Beteiligungsquorum und blieben folgenlos. Dazu gehört auch "ein" Volksbegehren, das von den Rechtsparteien (inkl. Nationalsozialisten) getragen wurde, und sich gegen den „Young-Plan“ zu den Reparationen (1929) richtete. Der Politik- und Sozialwissenschaftler Dr. Otmar Jung schreibt dazu: "Nach diesem 'Reinfall' mied Hitler die Volksgesetzgebung. Er konzentrierte sich stattdessen auf die Wahlen, um an die Macht zu kommen." (Hier der ganze Artikel). Insgesamt betrachtet lässt sich diese vereinzelte Praxis also nicht als Ursache für das Scheitern der Weimarer Republik und die Machtergreifung durch Hitler werten. Hierfür waren zahlreiche andere Faktoren verantwortlich.

Sind extreme Gesetzesänderungen wie “Einführung der Todesstrafe” möglich?

Nein. Wir orientieren uns an der dreistufigen Volksgesetzgebung in den deutschen Bundesländern und dem gemeinsamen Gesetzesvorschlag von uns, Mehr Demokratie und Democracy International. Dieser sieht vor, dass Grund- und Minderheitenrechte geschützt sind. Das wird dadurch gewährleistet, dass jeder von einer Volksinitiative ausgearbeitete Gesetzentwurf vom Bundesverfassungsgericht auf Antrag von Regierung oder Parlament auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und Völkerrecht geprüft wird - und bei einem Verstoß gestoppt werden kann. Diese "präventive Normenkontrolle" gibt es bereits bei direktdemokratischen Verfahren in allen Bundesländern.

Ist die Schweiz Vorbild für uns?

Die direkte Demokratie in der Schweiz mag grundsätzlich ein Vorbild sein, an entscheidenden Punkten ist sie es aber nicht und vor allem nicht auf Deutschland 1:1 übertragbar. Wir favorisieren – anders als in der Schweiz – ein dreistufiges Modell der direkten Demokratie auf Länder- und Bundesebene: Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid. Nach der Initiative ist die Möglichkeit einer juristischen Prüfung vorgesehen (präventive Normenkontrolle). Das Bundesverfassungsgericht kann so die Vereinbarkeit eines Gesetzentwurfes mit dem Grundgesetz und Völkerrecht prüfen und die Initiative nicht zulassen, wenn Grund- und Minderheitenrechte angegriffen würden. Das Volksbegehren und der Volksentscheid finden dann nicht mehr statt. Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zur direkten Demokratie in der Schweiz. Dort ist eine umfassende Vorab-Prüfung nicht vorgesehen. Auch hat die Schweiz kein eigenes Verfassungsgericht. Von der Bevölkerung beschlossene Gesetze können erst im Nachhinein vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gebracht werden, der dann prüft, ob sie der Menschenrechtskonvention entsprechen.

nach oben