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Ein von Mehr Demokratie Hamburg angeführtes Bündnis aus zahlreichen Bürgerinitiativen und dem OMNIBUS für Direkte Demokratie hat am 5. August 2019 eine neue landesweite Volksinitiative angemeldet. Ziel ist es, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Hamburg verbindlich zu machen.
Ansprechpartnerin
Brigitte Krenkers
Telefon: +49 (0)2302 9567076
E-Mail: info @omnibus.org
Die Volksinitiative "Bürgerbegehren und Bürgerentscheide jetzt verbindlich machen!" fordert Senat und Bürgerschaft auf, unverzüglich alle Schritte zu unternehmen, damit Bürgerentscheide in Bezirksangelegenheiten rechtlich für Bezirk und Senat bindend sind. Bürgerbegehren dürfen ab dem Tag ihrer Anmeldung nicht mehr be- bzw. verhindert werden. Erfolgreiche Bürgerentscheide oder der Beschluss des Bezirks über die Annahme von Bürgerbegehren dürfen nur im Wege eines neuen Bürgerentscheids abgeändert werden.
Hintergrund ist, dass Bürgerbegehren und Bürgerentscheide seit 20 Jahren ihres Bestehens in Hamburg immer wieder - in erster Linie vom Hamburger Senat - im Vorfeld ausgebremst, ausgehebelt oder durch sich widersprechende Maßnahmen unterlaufen werden. Ein prominentes Beispiel ist der Abriss des Bismarckbades in Altona. Dieses schöne alte Jugendstilbad wurde trotz Bürgerentscheids im Jahr 2005 abgerissen. Aber auch das aktuelle Bürgerbegehren “Der wilde Wald bleibt” im Bezirk Mitte könnte im Falle eines Erfolgs vom Senat kassiert werden.
In Bezirksangelegenheiten sollen daher Bürgerbegehren und Bürgerentscheide für das Verwaltungshandeln von Bezirk und Senat rechtlich bindend sein. Bezirksangelegenheiten sind in der Begründung definiert als diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die durch ihren spezifischen Bezug zum Bezirk allen Einwohnern des Bezirks gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben oder -wohnen betreffen. Die Initiative hatte sechs Monate Zeit, um 10.000 gültige Unterschriften von wahlberechtigen Bürger*innen aus Hamburg zu sammeln.
Anfang Februar 2020 hat die erfolgreiche Volksinitiative 14.023 Unterschriften im Hamburger Rathaus übergeben. Nun steht der nächste Schritt bevor: In öffentlicher Anhörung wird der Verfassungsausschuss der Bürgerschaft am 12. Mai ab 16 Uhr über die Volksinitiative beraten. Die Vertrauenspersonen Thérèse Fiedler, Gregor Hackmack und Bernd Kroll werden die Forderungen präsentieren und die Nachfragen der Abgeordneten beantworten.
Falls die Bürgerschaft die Volksinitiative nicht annimmt, würden dann im Sommer 2020 das Volksbegehren und im September 2021 parallel zur Bundestagswahl der entsprechende Volksentscheid folgen.
Heute hat das Hamburgischen Verfassungsgericht über die Klage des rot / grünen Senats zur verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Volksinitiative „Bürgerbegehren und Bürgerentscheide jetzt verbindlich machen – Mehr Demokratie vor Ort" verhandelt.
Die im August 2019 gestartete Volksinitiative hat zum Ziel, eine umfassende Bindungswirkung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden, in bezirklichen Angelegenheiten, auf Bezirks- und Senatsebene zu erreichen.
Nach Auffassung des Senats überschreitet die Vorlage die verfassungsrechtlichen Grenzen eines Volksbegehrens, denn es würden Verfassungs- und Gesetzesänderungen angestrebt, die mit der Stadtstaatlichkeit als wesentlichem Strukturmerkmal der Hamburgischen Verfassung unvereinbar seien. Außerdem läge ein Verstoß gegen das Kopplungsverbot vor.
Professor Dr. Arne Pautsch (Verfassungsjurist, Hochschule Ludwigsburg) hat für die Volksinitiative dargelegt, dass weder die Verfassung noch an dem Prinzip der Einheitsgemeinde etwas geändert werden muss, um Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Hamburg verbindlich zu machen. Die Stadtstaatlichkeit verbiete es nicht, Aufgaben in rein bezirklichen Angelegenheiten auf die Bezirksebene zu übertragen. Ebenso wie die Bezirksversammlungen hätten Bürgerentscheide auf Bezirksebene eine demokratische Eigenlegitimation. Genuine Bezirksangelegenheiten, also solche die die Bürfnisse und Interessen, die durch ihren spezifischen Bezug zum Bezirk allen Einwohnern des Bezirks gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben oder -wohnen betreffen, müssten deshalb vom Weisungs- und Evokationsrecht des Senats ausgenommen sein.
Im Kern geht es dabei also auch darum, welche konkreten Aufgaben die 7 Hamburger Bezirksämter und Bezirksversammlungen wahrnehmen können.
Denn die Einschränkungen die der Hamburger Senat gegen die Verbindlichkeit von Bürgerentscheide auf Bezirksebene aufführt, gelten auch für die, von den Hamburgerinnen und Hamburgern gewählten, Bezirksversammlungen, die keine Parlamente sondern lediglich Verwaltungsausschüsse sind.
Bernd Kroll, einer der drei Vertrauenspersonen erklärt: "Durch die Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts könnte sich erweisen, inwieweit die Befassungsinitiative ein taugliches und jedem Bürger zugängliches Teilhaberecht in politischen Sachentscheidungen gewähren kann und wie hoch die Hürden für die direkte Demokratie hier wirklich sind.
Des Weiteren könnte das Urteil auch zur Klärung beitragen, wie die verfassungsrechtlich anerkannte Eigenständigkeit der Bezirke zu bewerten ist und welche Bedeutung ihr für die direkte Demokratie vor Ort zukommen kann."
Der Senat kritisiert auch die Form der Volksinitiative, die Ihre Forderung als „Andere Vorlage" formulierte. Professor Dr. Pautsch erhofft sich von der Entscheidung auch: „... grundlegende Klarheit, was zulässiger Gegenstand einer Anderen Vorlage ist und welche Anforderungen für die Initiatoren künftiger Volksinitiativen daraus folgt."
Das Hamburgische Verfassungsgericht könnte den Prozess zum Anlass nehmen, sich erstmals auch zur Frage der verfassungsrechtlichen Unantastbarkeit eines uneingeschränkten und umfassenden Evokationsrechts des Senats in Bezirksangelegenheiten zu äußern und wie sich dies zu der grundgesetzlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung verhält.
Die Urteilsverkündung soll am 04.02.2022, 10:00 Uhr stattfinden.
Zwar bekunden alle in der Hamburger Bürgerschaft vertretenen Parteien stets, dass sie die Stärkung der Bürgerbeteiligung in den Bezirken politisch anstreben - an einer wirklichen Umsetzung sind sie aber leider nicht interessiert. Das zeigt die Reaktion von Senat und Bürgerschaft in Hamburg auf die im Februar erfolgreich eingereichte Volksinitiative für die Verbindlichkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. Nach der Anhörung am 12. Mai 2020 in der Bürgerschaft folgte statt konstruktiver Verhandlungen eine Klage beim Hamburger Verfassungsgericht von Senat und Bürgerschaft gegen das inzwischen angemeldete Volksbegehren.
>> Klageschrift
Gleich in acht Punkten soll die Volksinitiative verfassungswidrig sein. Die Klageschrift von Senat und Bürgerschaft überzeugt allerdings nicht. Aber letztlich kommt es auf das Verfassungsgericht an. Die Berichterstatter, also jene Richter, die ein Urteil maßgeblich vorbereiten, sind leider als politische Gegner von direkter Demokratie bekannt. Es wird also ein harter Prozess.
Zum Glück konnte die Initiative die renommierte Rechtsanwältin Katja Pink aus Berlin als Prozessbevollmächtigte gewinnen. Sie hat für die Organisationen Foodwatch und abgeordnetenwatch.de bereits mehrere Verwaltungsgerichtsprozesse gegen die Bundesregierung und sogar den Bundestag gewonnen. Auch Prof. Arne Pautsch, Verwaltungsexperte aus Ludwigsburg, wird die Initiative vertreten. In den letzten Wochen wurde eine 38-seitige Erwiderung auf die Klage erarbeitet und soeben dem Verfassungsgericht übergeben. Das mündliche Verfahren wird erst im nächsten Frühjahr erwartet.